Dr. Joachim Selle
Fortbildungstermine
Patientenverfügung
Suchtmedizin
Betriebsmedizin/ASiG
Psych. Belastung
G2 Blei
G9 Quecksilber
G 20 Lärm
G 24 Hautschutz
G25 Fahr-Steuerttgkt
G 26 Atemschutz
G 35 Tropen
G37 Bildschirm
G 39 Schweißen
G 40 Krebser. Stoffe
G 41 Absturzgefahr
G 42 Biostoff Verord
H9 Forstarbeit
Strahlenschutz
Lastenhandhabung
UVV Gesundheitsdiens
Nadelstichverletzung
Hygieneplan
Endoskopiehygiene
Händedesinfektion
Reinigungsplan
MRSA
NORO Viren
Tuberkulose
Schutzhandschuhe
Links
Hepatitis C
Datenschutz/Impressu
ADHS des Erwachsenen
ADHS des Kindes
Choralschola
Philosophie


 

 

Arbeit unter Einwirkung von Blei

Achtung, öffnet in einem neuen Fenster. PDFDruckenE-Mail

Vorbemerkung:

Diese Leitlinie wird empfohlen, wenn ärztliches Handeln im Zusammenhang mit der Einwirkung von Blei oder seinen Verbindungen in diagnostischer, therapeutischer oder präventiver Hinsicht erforderlich ist.

Beachten Sie bitte auch die für das arbeitsmedizinische Leitlinienprinzip geltenden Besonderheiten sowie die sonstigen fachgebietsrelevanten Handlungsempfehlungen.

 

Arbeitsbedingte Blei-Intoxikation

Infolge der akuten oder chronischen Aufnahme (vor allem inhalativ und oral, bei organischen Verbindungen auch dermal) von Blei und Bleiverbindungen verursachtes typisches Krankheitsbild.

Leitsymptome

Magen-Darm-Kolik, Obstipation, allgemeine Abgeschlagenheit, Anämie (meistens hypo- bzw. normochrom), selten Bleisaum am Zahnfleisch (abhängig von der Mundhygiene), in schweren Fällen auch sensomotorische Polyneuropathie (Radialisparese bzw. Fallhand), Nierenschaden und Enzephalopathie (insbesondere bei organischen Bleiverbindungen) [1].

Stärkere neurotoxische Effekte nach chronischer Bleibelastung betreffen vor allem Lernen und Gedächtnis, Konzentration und Aufmerksamkeit sowie Psychomotorik [2]. Diese Veränderungen sind im Einzelfall schwierig nachzuweisen und können in der Regel nur im Zusammenhang mit der objektivierten Bleibelastung zutreffend interpretiert werden. Gleiches trifft auch für die bei Kindern auf statistischer Basis nachgewiesenen Korrelation zwischen Blutbleikonzentrationen und Intelligenzleistungen zu [3].

Wegen neuerer Befunde zur Genotoxizität sind bestimmte Bleiverbindungen, z.B. Bleioxid, von der Arbeitsstoffkommission als potentiell humankanzerogen bewertet worden [4].

Diagnostik

Notwendige Diagnostik:

Vollständige körperliche Untersuchung, Blutbild einschließlich Differentialblutbild, Biomonitoring: Blei im Vollblut; bei Bleitetraethyl und Bleitetramethyl: Blei im Urin.

Im Einzelfall nützlich:

Neurologische Untersuchung einschließlich Neurophysiologie/Elektromyographie.Nierenparameter: Kreatinin im Serum, Harnproteine (z.B. Gesamteiweiß, Albumin, b2- und a1-Mikroglobulin), Blei und d-ALA-Ausscheidung im Harn (24-Stunden-Sammelurin).

Entbehrliche Diagnostik:

Bestimmung von Blei in Haaren, Knochen oder anderen biologischen Materialien. Mobilisationstests mit Komplexbildnern. Auszählung der basophil getüpfelten Erythrozyten.

Differentialdiagnostik

Entsprechend der Symptomatik wird auf die Leitlinien der Fachdisziplinen (Innere Medizin, Nephrologie, Neurologie) verwiesen.

Therapie
< Expositionskarenz
<

Forcierte Blei-Ausscheidung durch Anwendung von [5]

 

- DMPS: oral 3 x 100 mg/die (Dimavalâ,Mercuval®)  
  i.v.: 10 – 30 mg/kg KG (DMPS-Heyl®

- D-Penicillamin: oral: 3 x 100 mg/die (Metalcaptase®)

<

 cave: Nierenfunktionsstörung

<

Kontraindiziert: BAL (i.v. oder i.m.)

<

Obsolet: Gabe von Milch oder Penicillamin zur Prävention.

 
Berufliche Gefährdungsschwerpunkte

Verhütten von Bleierzen, Einschmelzen von bleihaltigen Altmaterialien, Kontakt zu bleihaltigen Stäuben, z.B. Filterstäube, Raffinieren von Blei, Herstellen und Verarbeiten von Bleipulver, Bleipigmenten sowie Bleiglasuren, Auftragen von bleihaltigen Anstrichstoffen im Spritzverfahren, Verwendung von pulverförmigen Bleiverbindungen bei der Herstellung von Farben, Akkumulatoren und Kunststoffen, Entfernen bleihaltiger Beschichtungen mittels mechanischer Verfahren, Schweißen, Brennschneiden, Schmelzen und Löten von bleihaltigen Materialien.

Berufskrankheit

Die beruflich verursachte Blei-Intoxikation ist eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit gemäß Nr. 1101 (Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen) der Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Auf das offizielle Merkblatt zur Berufskrankheit BK 1101 wird verwiesen. Im Merkblatt finden sich Angaben zu beruflichen Gefahrenquellen, zum Krankheitsbild und zur Diagnostik sowie zur ärztlichen Beurteilung.

Der behandelnde Arzt ist verpflichtet, den begründeten Verdacht auf Vorliegen einer Berufskrankheit BK 1101 dem Träger der Unfallversicherung oder der zuständigen Stelle des medizinischen Arbeitsschutzes (Staatlicher Gewerbearzt) unverzüglich anzuzeigen.

Nach den Unfallverhütungsberichten wurden im Zeitraum von 2000 bis 2002 pro Jahr zwischen 102 und 112 Verdachtsfälle angezeigt und zwischen 8 und 12 Erkrankungsfälle als Berufskrankheit BK 1101 anerkannt.

Prävention

Die vermehrte Aufnahme von Blei ist durch geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen zu verhindern. Hierzu gehören in erster Linie expositionsmindernde Maßnahmen und nachrangig die Verwendung von persönlichen Körperschutzmitteln (z.B. Atemschutz). Erhöhte Blei-Belastungen in der Allgemeinbevölkerung sind durch kontaminierte Lebensmittel, unsachgemäße Verwendung von Blei-haltigen Produkten bzw. Blei-haltigen Gegenständen sowie durch Blei-haltiges Trinkwasser möglich.

Arbeitnehmer, die Umgang mit Blei und seinen Verbindungen haben, sind durch einen ermächtigten Arzt für Arbeitsmedizin/Betriebsarzt entsprechend dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 2 (Blei) bzw. G 3 (Bleialkyle) zu untersuchen [6].

Referenz- und Grenzwerte

Referenzwerte (sog. Hintergrundbelastung) für die Blutbleikonzentration in der Allgemeinbevölkerung ohne berufliche Bleibelastung sind [7]:

Männer (18 – 69 Jahre)              90 µg/L

Frauen (18 – 69 Jahre)               70 µg/L

Kinder (6 – 12 Jahre)                 60 µg/L

 
Als Grenzwerte für die Blutbleikonzentration in der Allgemeinbevölkerung ohne berufliche Bleibelastung
(Human-Biomonitoring-Werte, Stand 2002) gelten [3]:

HBM I               100 (Risikogruppe) bzw. 150 µg/L

HBM II              150 (Risikogruppe) bzw. 250 µg/L

Aufgrund der Neubewertung des krebserzeugenden Potentials wurden der MAK- und BAT-Wert 2004 ausgesetzt.

Zur Orientierung sind nachfolgend die bis 2003 gültigen BAT-Werte genannt. Diese schützen definitionsgemäß nach jeweils aktuellem Kenntnisstand vor adversen toxischen Effekten, nicht jedoch vor genotoxischen Wirkungen:

Effekten, nicht jedoch vor genotoxischen Wirkungen:

                            Männer  Frauen
< 45 Jahre     
> 45 Jahre
Blutbleikonzentration: 400 µg/L   100 µg/L  400 µg/L

Daneben ist Blei in Schwangerschaftsgruppe B eingestuft, d.h. auch unterhalb des (früheren) BAT-Wertes besteht die Möglichkeit der Embryotoxizität und Teratogenität. Zur Risikominimierung galt für Frauen bis zum 45. Lebensjahr ein „ spezieller BAT-Wert“, der sich an der Hintergrundbelastung der Allgemeinbevölkerung orientiert hat.

Bei Exposition gegenüber Bleitetraethyl und Bleitetramethyl bestand ein BAT-Wert in Höhe von 50 µg Gesamtblei pro Liter Urin.

Literatur

[1]        Schiele, R.:

BK 1101: Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen. In: G. Triebig, M. Kentner,
R. Schiele (Hrsg.): Arbeitsmedizin. Handbuch für Theorie und Praxis. Gentner Verlag,
Stuttgart, 2003.

[2]        Greim, H., G. Lehnert (Hrsg.):

            Biologische Arbeitsstoff-Toleranz-Werte (BAT-Werte) und Expositionsäquivalente für
            krebserzeugende Arbeitsstoffe (EKA). Arbeitsmedizinisch-toxikologische Begründungen.

            10. Lieferung, Wiley-VCH-Verlag, Weinheim, 2001.

[3]        HBM-Kommission:

            Addendum zur „Stoffmonographie Blei – Referenz- und Human-Biomonitoring-Werte“ der
Kommission „Human-Biomonitoring“.

            Bundesgesundheitsbl. Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz 45 (2002) 752-753.

[4]        Greim, H. (Hrsg.): Blei und seine Verbindungen. Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten (Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen), 38. Lieferung.

            Wiley-VCH-Verlag, 2004.

[5]        Felgenhauer, N., T. Zilker:

            Einsatz von Chelatbildnern in der Klinischen Toxikologie und Umweltmedizin.

            Umweltmed. Forsch. Prax. 5 (2000) 5-10.

[6]        Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften: Berufsgenossenschaftliche Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen, 3. Auflage, Gentner Verlag, Stuttgart, 2004.

[7]        HBM-Kommission: Aktualisierung der Referenzwerte für Blei, Cadmium und Quecksilber im Blut und
im Urin von Erwachsenen. Bundesgesundheitsbl. – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 46 (2003) 1112-1113.

[8]        DFG (Deutsche Forschungsgemeinschaft): MAK- und BAT-Werte-Liste. Maximale Arbeitsplatzkonzentrationen und biologische Arbeitsstofftoleranzwerte; Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe. Mitteilung 40.
Verlag Chemie, Weinheim 2004.

 

S. dazu auch
Merkblatt zu BK 1101

 


 



 

 

 

 


Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen
Merkblatt zu BK Nr. 6 der Anl. 1 zur 7. BKVO
(Bek. des BMA v. 19.5.1964, BArbBl Fachteil Arbeitsschutz 1964, 126f)

I. Vorkommen und Gefahrenquellen

Blei (Pb), ein weiches, bei 327° C schmelzendes Metall, wird durch Verhüttung von Erzen, insbesondere Bleiglanz, z. T. von Weiß- oder Vitriolbleierz, gewonnen.

In Staub- oder Dampfform oxydiert es in Luft zu kolloidalem Bleioxyd (PbO); sog. Bleirauch besteht aus Bleioxydteilchen.

Gefahrenquellen sind Arbeitsverfahren, bei denen Blei oder seine Verbindungen, insbesondere in Staub-, Rauch oder Dampfform (metallisches Pb verdampft wahrnehmbar ab 550° C), auftreten.

Dies kann z. B. zutreffen in Blei- oder Zinkhütten (Zinkerze enthalten oft Bleiglanz), beim Feilen, Sägen, Fräsen, trockenen Schleifen oder Poliern von metallischem Blei oder Bleilegierungen. Weiterhin beim Mischen und Anreiben bleihaltiger Farben in Pulverform (z. B. Bleiweiß, bleihaltigem Zinkweiß, Mennige, Bleicyanamid, Chromgelb, Chromrot, Neapelgelb) oder beim Aufspritzen der Farben mittels Spritzpistole, beim Abbürsten und Abbrennen von Bleifarbenanstrichen, beim Schneiden oder Schweißen an mit Mennige oder anderen Bleifarben gestrichenen oder verbleiten Teilen (z. B. beim Verschrotten, Abwracken). Auch beim Warmnieten mit Menigge gestrichener Eisenteile, Altmetallschmelzen, Homogenverbleien, Bleilöten, bei Arbeiten in Drahthärtereien, der Herstellung von Lagerschalen aus Bleibronze, von Bleiakkumulatoren, beim Abziehen der Oxydschicht vom Bleibad (z. B. in Patentierereien) durch Verstäuben der sog. Krätze und beim Glätten (Bürsten, Schleifen) von Karosseriefugen u. ä., die mit vorwiegend bleihaltigem Lötzinn behandelt wurden,bestehen Gesundheitsgefahren. Dies gilt auch für die Herstellung bleihaltiger Glasuren (Fritten), Emails, Dekors, Kristallgläser und die Verwendung von Bleiverbindungen als Stabilisatoren und Gleitmittel in der Kunststoffindustrie.

Auch das Reinigen von mit Bleibenzin betriebenen Motoren, in denen Bleioxyd oder Bleihalogenide als Verbrennungsrückstand vorkommen, kann eine Gefahrenquelle sein.

Die dem Vergaserkraftstoff als "Antiklopfmittel" in Form des "Ethyl-Fluids" beigefügten Bleialkyle, wie Bleitetraäthyl (TEL) oder Bleitetramethyl (TML), können beim Mischen mit Benzin in Mischanlagen oder beim Reinigen der Bleibenzin-Lagertanks von Bleischlamm die Gesundheit gefährden.

Der Umgang mit metallischem Blei, Bleirohren, Bleilettern, z. B. im graphischem Gewerbe, oder mit bleihaltigem Benzin an Tankstellen stellt kaum eine spezifische Gesundheitsgefahr dar.

II. Aufnahme und Wirkungsweise

In Staub-, Rauch- oder Dampfform werden Blei oder seine Verbindungen hauptsächlich über die Atemwege aufgenommen. Aufnahme über den Magen-Darm-Trakt ist ebenfalls möglich, jedoch in der Regel weniger gefährdend. Bleialkyle werden leicht durch die Haut resorbiert.

Konzentration und Verweildauer im Blut kreisender Bleiverbindungen (sog. Bleistrom) und ihre Löslichkeit in den Körpersäften sind für die Erkrankung maßgebend. Die Bleialkyle haben infolge ihrer Lipoidlöslichkeit eine besondere Affinität zum Gehirn und anderen lipoidreichen Organen.

Blei schädigt zelluläre Elemente durch Inaktivierung von Enzymen. Besonders werden der Porphyrinstoffwechsel, die Blutbildungsstätten, der Verdauungstrakt, das Gefäßsystem sowie das zentale und periphere Nervensystem betroffen.

Blei wird als relativ stabiles Bleiphosphat in Knochen abgelagert (sog. Depotblei) und u. U. dort wieder mobilisiert. Vorübergehende Anreicherung in Leber, Milz und Nieren ist möglich. Die Ausscheidung erfolgt in Stuhl und Urin.

Erkrankungszeichen treten dann auf, wenn der Organismus nicht mehr fähig ist, das meistens innerhalb eines längeren Zeitraumes aufgenommene Blei auszuscheiden oder abzulagern.
 

III. Krankheitsbild und Diagnose

 

 

 A.

 

 

Die akute Erkrankung infolge beruflich bedingter Einwirkung von Blei oder seinen anorganischen Verbindungen ist relativ selten. In der Regel handelt es sich um chronische oder subchronische Erkrankungen.

Folgende Entwicklungsstadien, die sich auch überschneiden können, kann man unterscheiden:

    1. Klinisch stummes Vorstadium ("Bleiträger"),
    2. kritisches Anfangsstadium ("Präsaturnismus"),
    3. ausgeprägte Bleierkrankung ("Saturnismus"),
    4. Spätkrankheiten.

Zu 1:

Im klinisch stummen Vorstadium kommt es zunächst zu einer verstärkten Koproporphyrin-(III)-Ausscheidung im Urin. Es folgt eine Vermehrung basophil getüpfelter Erythrocyten ("Tüpfelzellen") und evtl. ein Absinken des Hämoglobins. Der Bleispiegel im Blut ist meistens erhöht.

Selten zeigt sich schon jetzt im Zahnfleischrand ein schwarzblauer bis schiefergrauer Saum, der sog. Bleisaum; dabei sind differential diagnostisch Paradentose, Melanose des Zahnfleisches und Veränderungen durch Einwirkung anderer Metallverbindungen zu erwägen.

Auch erste Anzeichen des sog. Bleikolorits, wie "schlechtes Aussehen", übergehend in eine charakteristisch graugelbe Verfärbung, insbesondere der Gesichtshaut, sind zu erkennen. Herabgesetzter Turgor, subikterische Skleren und blasse Schleimhäute können vorhanden sein.
 

Zu 2:

Zum kritischen Anfangsstadium ("Präsaturnismus") gehören allgemeine Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit, Reizbarkeit, Kopfschmerzen in Stirn- und Schläfengegend, Schwindel, Schwächegefühl in den Gliedern sowie Obstipation und andere Magen-Darm-Störungen.

 

 

Zu 3:

Anzeichen der ausgeprägten Bleierkrankung ("Saturnismus") sind neben den in "zu l" und "zu 2" genannten, mit der Schwere der Erkrankung im allgemeinen zunehmenden Krankheitssymptomen und pathologischen Laboratoriumsbefunden insbesondere die sog. Bleikoliken. Dabei handelt es sich um heftige, oft tagelang dauernde, auf- und abschwellende Schmerzattacken, vorwiegend im Oberbauch mit Obstipation, Brechreiz oder Erbrechen. Häufig besteht eine Anämie. Ulcera im Magen oder Zwölffingerdarm können gelegentlich auftreten. Differentialdiagnostisch sind Ileus, Appendictis und Chlolecystophatie u. a. in Betracht zu ziehen.

Die Lähmung peripherer, motorischer Nerven (sog. Bleilähmung) wird heute kaum mehr beobachtet. Es kam dabei zu einer allmählich zunehmenden Schwäche, insbesondere der Streckermuskulatur des Unterarmes, und schließlich zur Radialislähmung. Auch Lähmungen im Bereich der Schulter- oder Beinmuskulatur, in der Regel einseitig, sind gelegentlich vorgekommen.

Als Folge einer massiven Exposition können Anzeichen einer akuten Encephalopathie, wie starke Kopfschmerzen, meningitische Reizerscheinungen, passagere Verwirrtheitszustände, Gesichtszuckungen und Funktionsstörungen im Bereich der Hirnnerven auftreten. Rasche Mobilisation der sog. Bleidepots kann ähnlich wirken.
 

Zu 4:

Spätkrankheiten, wie Schrumpfniere oder chronische Encephalopathie, sind beschrieben worden. Diese können aber nur im Zusammenhang mit der Bleieinwirkung gesehen werden, wenn eine langzeitige und erhebliche Exposition stattgefunden hat, charakteristische Bleierkrankungsmerkmale vorhanden waren und andere Ursachen hierfür nicht bestehen.

 

 

 

 

B.

 Bei Einwirkungen von organisch gebundenem Blei, insbesondere von Bleialkylen, wie Bleitetraäthyl (TEL) oder Bleitetramethyl (TML), können Zentralnervensystem, Leber und Nebennieren geschädigt werden. Oft ist es eine akute Erkrankung, die eine bis zwölf Stunden nach Einwirkung dieser Stoffe auftritt und unter den Anzeichen einer akuten Psychose in kurzer Zeit tödlich verläuft. Bei weniger schwerer Vergiftung kommt es zu starker Abmagerung und Symptomen wie bei Einwirkung anorganischer Bleiverbindungen.

Schlafstörungen, Schreckträume, Appetitlosigkeit, Körperschwäche, Magen-, Darm- und hypotone Kreislauffunktionsstörungen können Folgen einer Exposition sein, die nach deren Wegfall wieder abklingen.
 

IV. Hinweise für die ärztliche Beurteilung

Dem Ergebnis der eingehenden Arbeitsanamnese kommt besondere Bedeutung zu, zumal die "Bleierkrankung" bei Fehlen charakteristischer Befunde Symptome aufweist, wie sie bei vielen anderen Erkrankungen ebenfalls vorkommen.

Die Ergebnisse exakter Laboratoriumsuntersuchungen können besonders wertvoll sein, dürfen aber in ihrer Bedeutung für die Diagnostik nicht überschätzt werden, insbesondere dann nicht, wenn klinische Erkrankungszeichen fehlen.

Auf die Verwendung bleifreier Reagenzgläser ist zu achten. Nicht Injektionsspritzen benutzen, deren Teile mit bleihaltigem Zinn gelötet sind.

Folgende Untersuchungen können dabei von Wichtigkeit sein, wobei ihr Ergebnis evtl. mehrfach kontrolliert werden sollte:
 

    a) Die mikroskopische Zählung der basophil getüpfelten Erythrocyten ("Tüpfelzellen"), gefärbt nach Manson oder Pappenheim (oberer Grenzwert: 10 grobe "Tüpfelzellen" in 50 Gesichtsfeldern).
    Es ist zu beachten, daß "Tüpfelzellen" auch bei anderen pathologisch gesteigerten Regenerationsvorgängen im Organismus mäßig vermehrt sein können.

    b) Die (Kopro-)Porphyrinbestimmung im Urin nach einer der Schnellmethoden von Brugsch, De Langen oder Hoschek.
    Sie beruhen auf dem Nachweis und der Bewertung der Rotfluoreszenz in ultraviolettem Licht. Deutliche Rotfluoreszenz spricht für gesteigerte Porphyrinausscheidung. Methodisch bedingte Fehlerbreite und Schwankungen in der Ausscheidung sollten berücksichtigt werden, nach Bleieinwirkung sind vor allem die Porphyrin-Vorstufen vermehrt, die erst nach entsprechender Vorbereitung fluoreszieren und dadurch nachweisbar werden.
    Schwere hämolythische Zustände, Lebererkrankungen und die Einwirkung anderer chemischer Substanzen können ebenfalls zu einer Vermehrung des Koprophyrins im Urin führen. Bei den sog. Porphyrinopathien kommt neben anderen Porphyrinen auch Koproporphyrin im Urin vor.

    c) Der Bleigehalt in Blut, Urin und Stuhl, festgestellt in einem hierfür entsprechend eingerichteten Laboratorium.
    Sehr hohe Bleiwerte, die nach beruflich bedingter Einwirkung relativ geringer Dosen oder erst mehrere Monate nach einer beruflichen Exposition festgestellt werden, können durch eine Bleiaufnahme verursacht worden sein, die nicht mit der beruflichen Tätigkeit zusammenhängt.

 

 

Weiter
to Top of Page